25.5.06

Der kleine Selbstbetrug oder: der scheinbare Kurzgeschichten-Boom in Deutschland

Kurzgeschichten verkaufen sich generell eher schlecht in Deutschland. Die großen Publikumsverlage haben die eigenen Plattformen für SF-Storys bereits vor geraumer Zeit eingestellt. Die relativ komfortablen Zeiten mit monatlichen Jeschke-Anthologien oder etwa der schönen Anthoreihe unter Thomas LeBlancs Herausgeberschaft sind lange vorbei. Trotzdem erscheinen seit einigen Jahren wieder sehr viele Kurzgeschichten, und das liegt daran, dass es eine Reihe von umtriebigen Kleinverlagen gibt, die Anthologien publizieren, und das wie wild.
Nun bin ich ein Freund der Kleinverlage, das ist allgemein bekannt, wenngleich sicher ein kritischer Freund. Ich freue mich für all jene Autoren, die eine Kurzgeschichte veröffentlicht bekommen, ohne etwas dafür zu zahlen müssen. Dennoch erscheint mir der Boom der zahlreichen Anthologien (und ich zähle auch mal das Magazin NOVA hinzu, das im Grunde nichts anderes ist) wie eine Schimäre, eine Illusion, die die dahinter liegende Realität verbirgt. Und diese Realität ist meiner Auffassung nach, dass dieser scheinbare Aufschwung nur dadurch möglich ist, dass viele der Verlage keine bis vernachlässigbare Honorare für diese Kurzgeschichten zahlen. Das ist natürlich nachvollziehbar, denn auch die seriösen Kleinverlage haben keinen Geldesel im Keller. Dennoch erscheint derzeit so viel, dass man sich schon fragen muss, auf welcher kalkulatorischen Grundlage man da überhaupt Honorare zahlen kann. Mehr als eine kleine Anerkennungssumme, falls überhaupt etwas, kann gar nicht drin stecken.
Und so bleibt der scheinbare Aufschwung der Kurzgeschichte eine Seifenblase, die letztendlich auf dem Rücken der Autoren aufgepumpt wurde: Die verzichten nämlich notgedrungen auf das, was im Grunde ihr gutes Recht ist, nämlich eine angemessene Entlohnung. Natürlich ist es schwierig, Nein zu sagen, wenn es keine Alternativen gibt (bzw. die Alternative darin besteht, nicht veröffentlicht zu werden). Doch stellt sich schon die Frage, was wohl aus den ganzen Anthologien werden würde, wenn die Autoren sie nicht durch Verzicht mitsubventionieren würden.
So bleibt für mich der, möglicherweise ja fälschliche, Eindruck, dass hier mit dem Feiern des "Comebacks der Kurzgeschichte" nur ein Popanz aufgebaut wird, der bei rechter Betrachtung (und das muss letztendlich eine marktwirtschaftliche sein, denn auch Verlage produzieren ja nicht für das Archiv) auf sehr tönernen Füßen steht. Er würde wahrscheinlich vollends zusammen brechen, wenn die Autoren alle mal die Hand aufhalten würden.

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

Ts, ts, ts ... also wirklich, Dirk - musst du schon wieder den bösen Buben spielen? ;-))

Grüße
Gerd

6:50 PM  
Anonymous Anonym said...

Hallo Dirk,

was du da so sagst, ist ja einerseits nicht von der Hand zu weisen, gilt allerdings andererseits wohl nicht nur für Kurzgeschichten, sondern für alle Publikationen der Kleinverlagsszene. Wenn ein Autor von Romanen oder Serien die Hand ebenso aufhalten würde, wie es Aufwand und Einsatz verlangen würden, wäre auch dort wohl kaum ein Bruchteil dessen - oder auch überhaupt nix - erschienen.

So sollte der Selbstbetrug auch auf Serien wie Ikarus ausgeweitet werden. Oder auch auf andere, großen Autoren der kleinen Verlagsszene.

Und man stelle sich den Preis für rechercheintensive Sekundärwerke vor, wenn man den Selbstbetrugsfaktor eleminieren würde.

Bis bald,
Michael

10:30 PM  

Kommentar veröffentlichen

<< Home