23.8.05

Kleinverlage und ihre Nemesis (Teil 3)

Eigentlich sollte man über jeden Leser froh sein, denn ein Leser ist immer auch ein Kunde. Wenn ein sich gut verkaufendes Kleinverlagsbuch bei einer Auflage von 800-1000 Exemplaren rangiert, dann zählen Kunden, und auch schon individuelle. Da mag man sich über Leser gar nicht aufregen und sollte das auch nicht tun: Warum jeder was liest, ist ohnehin ein Mirakel für sich, und die ewige Frage, warum sich Buch A prächtig verkauft, während Buch B wie ein Stein im Regal liegt, kann manchmal selbst unter Anwendung aller Feinheiten moderner Marktforschung (für die Kleinverlage oft weder Geld noch Zeit haben) kaum eruiert werden. Es ist einfach so. Gehört zum Risiko des Geschäfts.
Problematischer wird es, wenn die Leser zu Kritikern mutieren. Früher war das relativ harmlos, denn die Kritiker beschränkten sich meistens darauf, Leserbriefe zu schreiben. Heute aber sind die Leserbriefschreiber in der Hierarchie aufgestiegen und nennen sich oft Rezensenten. Schade nur, dass sie oft nicht wissen, was es bedeutet, eine Rezension zu verfassen. Meistens sind die vornehmlich im Internet veröffentlichten Kritiken nämlich dann doch nicht mehr als nur Leserbriefe, die der Einfachheit und der Politik des gewählten Portals entsprechend nun einen wohlklingenden, seriösen und Anspruch vermittelnden Namen tragen. Leider werden sie diesem Anspruch oft nicht gerecht: Manchmal aufgrund ihrer Kürze - der korrekte Begriff für solche Beiträge wäre dann wohl "Bucherwähnung" -, oft genug aber auch wegen der Attitüde des Verfassers. Es gibt verschiedene Motivationen, um Rezensionen zu schreiben, und es entsteht manchmal der Eindruck, dass nicht immer die edelsten dahinter stecken. Man muss gar nicht bei den Gefälligkeitsrezensionen verbleiben, in denen sich Autoren des gleichen Verlages gegenseitig hoch loben (amazon.de ist dafür ein beliebtes und streckenweise absurdes Tummelfeld, auf dem diese seltsame Praxis zunehmend fröhliche Urständ feiert), es geht auch gegenteilig: Weil man jemanden nicht riechen kann, oder jemanden einem erzählt hat, dass der was gegen einen hat, gefällt einem das zu besprechende Buch doch gleich viel schlechter. Pure Unkenntnis der ökonomischen Rahmenbedingungen bei der Produktion eines Buches (gerade und gerne in Bezug auf die Preisgestaltung) kommen oft dazu. Besonders schlimm sind jene, die selbst schriftstellerische Ambitionen hegen und dem potentiellen Verleger durch Jubelrezis Honig um das Maul schmieren, in der Hoffnung, dadurch Gnade im Auge der betreffenden Person zu erlangen. Leider macht man es auch andersherum den Leuten nicht Recht: Ist man selbst als Autor ambitioniert, schreibt aber einen Verriß eines Werkes eines Kollegen, gilt man fürderhin als übler Nestbeschmutzer, der dadurch nur von seinen eigenen Defiziten abzulenken gedenkt.
Als Schriftsteller ist man auf ein gewisses Feedback angewiesen. Das Beste bekommt man idealerweise von einem engagierten und erfahrenen Lektor, der einem den eigenen Text so lange um die Ohren haut, bis er lesbar geworden ist. Das Zweitbeste sind mehr oder weniger erfahrene Testleser, die man sich jedoch genau aussuchen sollte: Erträgt man von ihnen Kritik? Neigen sie etwa möglicherweise dazu, einem unangenehme Wahrheiten nicht oder nur verblümt mitzuteilen? Ist der Geschmack des Testlesers mit dem zumindest grob kompatibel, zu dem man eine Reaktion haben möchte? Letztere Frage ist besonders wichtig, wie ich einmal am eigenen Leibe habe erfahren müssen, als ich leichtsinnigerweise einen Roman testlesen sollte, dessen Genre mir nun gar nicht liegt. Großes Fiasko. Never again.
Das notwendige Feedback wird oft genug jedoch nicht durch Rezensionen oder Leserreaktionen erzielt. Dieses ist leider oft zu oberflächlich, und es ist schade, dass viele Rezensionsportale nicht auf die notwendige Mindestqualität in dem achten, was sie da veröffentlichen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, warum das so ist: Weil man dann möglicherweise kaum noch jemanden findet, der zum Verfassen einer ordentlichen Buchbesprechung in der Lage ist. Und ein fast leeres Rezensionsportal? Nicht sehr kewl.
Dennoch entsteht dadurch für den Betrachter von außen ein zweifacher Eindruck: Zum einen der einer gewissen Oberflächlichkeit. Liest er sich in die Reziszene stärker ein, kommt der zweite Verdacht, nämlich der des permanenten Inzest. Inzest aber führt nicht nur in der Biologie zu problematischen Ergebnissen, er schränkt auch im Bereich der Leserreaktionen die Reichweite und Glaubwürdigkeit des Geschriebenen ungebührlich ein. Leider führt er auch dazu, dass Unabhängigkeit entweder nicht mehr möglich erscheint oder sofort in den Geruch der Feindschaft ausartet. Ich habe einmal den Romanerstling eines Kleinverlegers negativ besprochen und durfte dann erfahren, dass daraus sofort eine Verschwörungstheorie gebastelt wurde, nach der ich diese Rezension auf Bestellung und mit Bezahlung eines anderen Kleinverlegers verfasst hätte, um dem Autor eins auszuwischen.
Dass ich das besagte Buch schlicht - begründet - schlecht fand, darauf schien niemand gekommen zu sein.

Im vierten Teil rettet Dirk van den Boom das Wahre und Schöne und weist den Weg zur Lösung aller bisher beschriebenen Probleme.

5 Comments:

Anonymous Anonym said...

Man sollte dazu sagen, dass nicht ich dieses Gerücht in die Welt gesetzt habe, sondern ein anderer Autor mit dieser Info an mich herangetreten ist. Und ja, Dirk, deine Kritik an meinem Buch war damals berechtigt.

5:07 PM  
Blogger Frühstück said...

Ich weiß...

5:31 PM  
Anonymous Anonym said...

Hei, schöne deutliche Worte, bestätigt den Eindruck, den ich als vorsichtiger Beobachter der Kleinverlagsszene gewonnen habe.

11:03 PM  
Anonymous Anonym said...

Wobei ja gerade die Kleinverlage ihre Bücher auch unaufgefordert an die Redaktionen der Rezensionsportale schicken. Besser als keine Werbung scheint es ja allemal zu sein bei einem oberflächlichen Portal zu erscheinen.

11:02 AM  
Anonymous Anonym said...

Da muß ich dich aber für die Artikelserie jetzt auch mal kräftig loben, Dirk! Fühl dich also mal stark gebauchpinselt! :-)
Der Mangel an "guten" Rezensenten ist auch einer der Gründe dafür, weshalb ein gewisses Rezi-Magazin auf Eis liegt...
Deine Beobachtungen treffen die Sache jedenfalls voll auf den Punkt. Aus eigener Erfahrung kann ich dich da nur beipflichten.

Btw., @Konrad (gerade gesehen):
Ja, kann ich bestätigen. Bei mir treffen auch hin und wieder inrgendwelche Bücher ein (können diese Verleger eigentlich nicht lesen - steht doch klar und deutlich auf der Webseite, daß das Projekt derzeit auf Eis liegt...), die ich teilweise noch nicht mal mit der Kneifzange anpacken würde - geschweige denn lesen oder gar rezensieren...
Und: Ja, ich weiß: "Don't judge a book by its cover"... Jajaja... Es mag da manch eine Perle an mir vorübergehen - die Erfahrung sagt aber deutlich, daß es nicht besonders viele Perlen sind. (Hab ich da jetzt einen netten Bogen zu den ersten zwei Teilen der Serie geschlagen? Ja, hab ich... *gg*)

11:12 AM  

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