24.3.05

Nollywood

Mein Lieblingskritiker Oliver "Reich-Ranicki" Naujoks ist mit seinem Weblog deswegen mittlerweile reich und berühmt geworden, weil er kundig und umfassend über Bollywood-Filme zu berichten weiß. Das sind Filme indischer Produktion, in denen die Menschen viel tanzen, singen und heulen und oft Punkte auf der Stirn haben. Oliver, der das als Kontrast zu den blutigen Zombies-fressen-nackte-Frauen-Filmen benötigt, die er sich sonst so ansieht, kennt sich wie kein zweiter aus und ist seitdem der Held zahlreicher sentimentaler Teenies, wie man seinem Weblog-Kommentaren problemlos entnehmen kann. Ich möchte nur die täglichen Pakete mit Unterwäsche und Plüschteddys erwähnen, die er zugesandt erhält. Da ich auch einmal so angesehen und berühmt werden möchte, werde ich fortan hin und wieder auch einmal Filme besprechen. Da Bollywood bereits besetzt ist, widme ich mich Nollywood. Damit ist die seit Jahren stetig wachsende Filmproduktion aus Nigeria gemeint, die mir nicht zuletzt deswegen gut bekannt ist, weil meine Ehefrau Nigerianerin ist. In Nigeria werden jährlich rund 2000 Filme gedreht, und viele davon gehen in den Export, in andere anglophone afrikanische Länder und in die Diaspora. Man kann sich auch in Deutschland in jedem Afroshop davon überzeugen. Nollywood ist mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden, der rund 125.000 Angestellte ernährt und einen Jahresumsatz von rund 25 Mrd. Naira (ca. 160 Mio. €) erwirtschaftet. Große Stars der nigerianischen Filmindustrie verdienen für lokale Verhältnisse hohe Gagen: Für einen Film - meist abgedreht in 3-4 Wochen - sind 1,5 bis 2 Mio. Naira (ca. 12500 €) keine Seltenheit. Mittlerweile produzieren nigerianische Regisseure schon Filme in den USA, für den dortigen Markt der Diaspora genauso wie für den einheimischen. Dabei ist für den Freund der Phantastik einiges interessantes dabei, denn viele mythische und magische Elemente werden in die meist zweiteiligen Produktionen aufgenommen. Während Bollywood jedoch langsam auch in das Bewusstsein der deutschen Zuschauer vordringt, ist Nollywood noch weitgehend unbekannt, obgleich sich dort auch so manche filmerische Perle finden lässt. Die technische Qualität der Filme liegt jedoch noch deutlich unterhalb des Bollywood-Standards. Die Filme werden in der Regel mit großen Camcordern gedreht, sehr populär ist die Sony DSR 300/370 P, also professionelle Camcorder, die zwischen 10000 und 12000 € kosten. In den 90ern wurden manche Flicks sogar mit alten Videokameras gedreht, diese Filme kann man sich heute allerdings nur noch unter Zufuhr erheblicher Mengen von Alkohol anschauen.