20.4.05

Habemus papam

Ein neuer Papst ist da, und aufgrund seines hohen Alters wohl nur einer für den Übergang. Ich möchte mich an dieser Stelle nicht in die Diskussion einschalten, ob Herr Ratzinger als Anhänger des konservativen Flügels nun dies oder jenes tun oder unterlassen will, denn zum einen bin ich kein Katholik, zum anderen erkenne ich nicht, dass er in der verbliebenen Lebenszeit allzu viel wird ausrichten können (was natürlich nicht ausschließt, dass er noch knackige 88 wird und bis dahin noch allerlei tun kann). Was weitaus interessanter ist, ist die institutionelle Kontinuität, die eine Weltorganisation wie die Katholische Kirche damit erneut unter Beweis gestellt hat. Über ihre langjährige Geschichte verwischen sich die Einflüsse der Oberhäupter und es bleibt vor allem die Institution als solche. Ich bin, wie viele wissen, sehr an der Geschichte interessiert und habe, wie viele andere auch, durchaus eine kulturelle Affinität zu den pompösen Ritualen, ja dem rigiden Ritualismus großer Religionen. Wer sich mit phantastischer Literatur befasst, wird mit Ritualen und ihrer angeblichen oder tatsächlichen Bedeutung ja durchweg konfrontiert. Es ist interessant zu beobachten, welchen Einfluss das auch heute noch hat. Im Endeffekt ist Ratzinger ein Ober-Ritualist, denn seine konservative Haltung begünstigt die Verfestigung von Traditionen, und zwar ohne, dass ihre Sinnhaftigkeit hinterfragt werden muss. Diese Rituale funktionieren durch sich selbst, sind dabei aber kein Selbstzweck, sondern erfüllen eine wichtige psychologische Komponente, befriedigen Bedürfnisse. Bei aller Kritik sollte niemand vergessen, dass diese Bedürfnisse existieren, auch in vielen jener Menschen, die sich für aufgeklärt, ja abgeklärt halten. Welchen Raum wir diesen in unserem Leben und bei der Bestimmung unserer Überzeugungen einräumen, ist eine ganz andere Frage, vor allem dann, wenn gerade Rituale drohen, zur inhaltlosen Form zu werden. Den Spagat zwischen den beiden Extremen - ritualisiertem Glauben ohne Inhalt, sozusagen als Pflichtübung, und Ritualen als gesteuerter Befriedigung eines genuinen Bedürfnisses - wird auch jemand wie Ratzinger nicht überwinden können.