25.8.05

Mal wieder etwas anderes...

Die Tatsache, dass ich in den letzten Tagen einen kritischen Blick auf die Kleinverlagsszene geworfen habe, heißt natürlich nicht, dass ich a) meine eigenen schriftstellerischen Ambitionen aufgegeben hätte oder b) nicht mehr in Kleinverlagen zu veröffentlichen gedenke. Erwähnte ich nicht doch hin und wieder durch die Blume, dass es da auch seriöse, höchst ehrenhafte und zuverlässige Vertreter dieser Spezies gibt? Nein? Doch. Und wenn nicht, dann erwähne ich es jetzt.
In den letzten Wochen habe ich vor allem an zwei Projekten parallel gearbeitet: An Band 26 der SF-Serie Rettungskreuzer Ikarus, deren 23. Band gerade beim Atlantis-Verlag (übrigens einer der seriösen und ehrenhaften Vertreter) erschienen ist. Der Roman steht unter dem Titel "Antagonist" und ist, wie sich herausstellt, eine gigantische Raumschlacht. Das passt ganz gut, denn das zweite Projekt, zu dem hier auch schon mal eine Leseprobe gepostet wurde, ist der erste Band einer MilSF-Trilogie, an der ich fleißig weiter schreibe. Ich gebe aber zu, dass die Fortschritte da überschaubar sind. Der erste Band wird von mir auf rund 450.000 Zeichen geplant, davon ist jetzt so ungefähr die Hälfte fertig. Aber ich setze mich nicht unter Druck, wozu auch.
Vor einiger Zeit stolperte ich beim Durchforsten alter Dateien auf ein angefangenes, aber nie vollendetes Manuskript. Die Gründe, warum es nie vollendet wurde, sind vielfältiger Natur und für mich im Nachhinein auch gar nicht mehr verständlich. Ich werde halt auch älter. Jedenfalls habe ich begonnen, dieses Manuskript nun zu bearbeiten und habe mir vorgenommen, es auch mit der Zeit zu beenden. Es handelt sich um einen SF-Politkrimi, und weil ich in großzügiger Stimmung bin, spendiere ich auch gleich mal eine Leseprobe, wie immer als pdf-File. Es handelt sich um das erste Kapitel.
Soweit zum Stand der Dinge. Draußen regnet es und ich höre "Tour de France" von Kraftwerk. Und jetzt ein Süppchen...

23.8.05

Kleinverlage und ihre Nemesis (Teil 3)

Eigentlich sollte man über jeden Leser froh sein, denn ein Leser ist immer auch ein Kunde. Wenn ein sich gut verkaufendes Kleinverlagsbuch bei einer Auflage von 800-1000 Exemplaren rangiert, dann zählen Kunden, und auch schon individuelle. Da mag man sich über Leser gar nicht aufregen und sollte das auch nicht tun: Warum jeder was liest, ist ohnehin ein Mirakel für sich, und die ewige Frage, warum sich Buch A prächtig verkauft, während Buch B wie ein Stein im Regal liegt, kann manchmal selbst unter Anwendung aller Feinheiten moderner Marktforschung (für die Kleinverlage oft weder Geld noch Zeit haben) kaum eruiert werden. Es ist einfach so. Gehört zum Risiko des Geschäfts.
Problematischer wird es, wenn die Leser zu Kritikern mutieren. Früher war das relativ harmlos, denn die Kritiker beschränkten sich meistens darauf, Leserbriefe zu schreiben. Heute aber sind die Leserbriefschreiber in der Hierarchie aufgestiegen und nennen sich oft Rezensenten. Schade nur, dass sie oft nicht wissen, was es bedeutet, eine Rezension zu verfassen. Meistens sind die vornehmlich im Internet veröffentlichten Kritiken nämlich dann doch nicht mehr als nur Leserbriefe, die der Einfachheit und der Politik des gewählten Portals entsprechend nun einen wohlklingenden, seriösen und Anspruch vermittelnden Namen tragen. Leider werden sie diesem Anspruch oft nicht gerecht: Manchmal aufgrund ihrer Kürze - der korrekte Begriff für solche Beiträge wäre dann wohl "Bucherwähnung" -, oft genug aber auch wegen der Attitüde des Verfassers. Es gibt verschiedene Motivationen, um Rezensionen zu schreiben, und es entsteht manchmal der Eindruck, dass nicht immer die edelsten dahinter stecken. Man muss gar nicht bei den Gefälligkeitsrezensionen verbleiben, in denen sich Autoren des gleichen Verlages gegenseitig hoch loben (amazon.de ist dafür ein beliebtes und streckenweise absurdes Tummelfeld, auf dem diese seltsame Praxis zunehmend fröhliche Urständ feiert), es geht auch gegenteilig: Weil man jemanden nicht riechen kann, oder jemanden einem erzählt hat, dass der was gegen einen hat, gefällt einem das zu besprechende Buch doch gleich viel schlechter. Pure Unkenntnis der ökonomischen Rahmenbedingungen bei der Produktion eines Buches (gerade und gerne in Bezug auf die Preisgestaltung) kommen oft dazu. Besonders schlimm sind jene, die selbst schriftstellerische Ambitionen hegen und dem potentiellen Verleger durch Jubelrezis Honig um das Maul schmieren, in der Hoffnung, dadurch Gnade im Auge der betreffenden Person zu erlangen. Leider macht man es auch andersherum den Leuten nicht Recht: Ist man selbst als Autor ambitioniert, schreibt aber einen Verriß eines Werkes eines Kollegen, gilt man fürderhin als übler Nestbeschmutzer, der dadurch nur von seinen eigenen Defiziten abzulenken gedenkt.
Als Schriftsteller ist man auf ein gewisses Feedback angewiesen. Das Beste bekommt man idealerweise von einem engagierten und erfahrenen Lektor, der einem den eigenen Text so lange um die Ohren haut, bis er lesbar geworden ist. Das Zweitbeste sind mehr oder weniger erfahrene Testleser, die man sich jedoch genau aussuchen sollte: Erträgt man von ihnen Kritik? Neigen sie etwa möglicherweise dazu, einem unangenehme Wahrheiten nicht oder nur verblümt mitzuteilen? Ist der Geschmack des Testlesers mit dem zumindest grob kompatibel, zu dem man eine Reaktion haben möchte? Letztere Frage ist besonders wichtig, wie ich einmal am eigenen Leibe habe erfahren müssen, als ich leichtsinnigerweise einen Roman testlesen sollte, dessen Genre mir nun gar nicht liegt. Großes Fiasko. Never again.
Das notwendige Feedback wird oft genug jedoch nicht durch Rezensionen oder Leserreaktionen erzielt. Dieses ist leider oft zu oberflächlich, und es ist schade, dass viele Rezensionsportale nicht auf die notwendige Mindestqualität in dem achten, was sie da veröffentlichen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, warum das so ist: Weil man dann möglicherweise kaum noch jemanden findet, der zum Verfassen einer ordentlichen Buchbesprechung in der Lage ist. Und ein fast leeres Rezensionsportal? Nicht sehr kewl.
Dennoch entsteht dadurch für den Betrachter von außen ein zweifacher Eindruck: Zum einen der einer gewissen Oberflächlichkeit. Liest er sich in die Reziszene stärker ein, kommt der zweite Verdacht, nämlich der des permanenten Inzest. Inzest aber führt nicht nur in der Biologie zu problematischen Ergebnissen, er schränkt auch im Bereich der Leserreaktionen die Reichweite und Glaubwürdigkeit des Geschriebenen ungebührlich ein. Leider führt er auch dazu, dass Unabhängigkeit entweder nicht mehr möglich erscheint oder sofort in den Geruch der Feindschaft ausartet. Ich habe einmal den Romanerstling eines Kleinverlegers negativ besprochen und durfte dann erfahren, dass daraus sofort eine Verschwörungstheorie gebastelt wurde, nach der ich diese Rezension auf Bestellung und mit Bezahlung eines anderen Kleinverlegers verfasst hätte, um dem Autor eins auszuwischen.
Dass ich das besagte Buch schlicht - begründet - schlecht fand, darauf schien niemand gekommen zu sein.

Im vierten Teil rettet Dirk van den Boom das Wahre und Schöne und weist den Weg zur Lösung aller bisher beschriebenen Probleme.

16.8.05

Kleinverlage und ihre Nemesis (Teil 2)

Man stelle sich folgende Szene vor: Ein junger Mann sitzt alleine in einem etwas schäbig wirkenden Raum vor einem alten Computer. Die Wände sind voller Bücher mit bunten Covern. Der junge Mann ist Student, er hat keine Freundin und immer noch Pickel im Gesicht, Freunde kann er auch an einer Hand abzählen. Er studiert eine weitgehend brotlose Kunst, hat ständig Geldsorgen und seit drei Tagen nicht mehr geduscht. Aber er hat ja eines: seinen schriftstellerischen Genius. Eines Tages wird sein Name in großen Lettern auf einem wirklich großen Roman stehen. Dann wird sein Leben wieder einen Sinn haben. Und er setzt sich vor seinen alten Computer und schreibt eine Story, Science Fiction natürlich, denn was anderes außer Eskapismus soll ihm auch bleiben…

Das bin ich, das heißt: ich vor etwa 15-20 Jahren. Glücklicherweise gab es damals noch viele Fanzines, so dass die Tatsache, dass ich größtenteils schlechte Kurzgeschichten schrieb, niemandem wirklich weh tat. Sie wurden veröffentlicht, sicher, aber dann eben doch in Publikationen, bei denen man einen zumindest schwankenden Qualitätsstandard gewohnt war. Heute ist das leider schwieriger, und wenn ich mir vorstelle, ich wäre dieser junge Mann in seinem schäbigen Raum im Jahre 2005, dann graust es mir bereits vor mir selbst: Ich hätte meine Storys dann nämlich bei Kleinverlagen veröffentlicht, und es hätte wahrscheinlich genug gegeben, die sie auch genommen hätten, mich gar, oh Abgrund des Entsetzens, zu einem Roman animiert, jenes Werk mit den großen Lettern… nein, ich mag gar nicht daran denken.
Muss es aber.
Das hängt wesentlich damit zusammen, dass die von mir im ersten Teil dieses Traktats erwähnte niedrige Schmerzgrenze vieler Kleinverleger exakt solche Menschen dazu ermuntert, sich nicht nur massiv selbst zu überschätzen, sondern sie in ihrer Ignoranz, ihrem Selbstbetrug oder ihrer Naivität auch noch bestärken. Ein weiser Mann hat einmal in einer Diskussion gesagt, viele Kleinverleger füllen heute die Nische, die früher Fanzines inne hatten. Ich habe verzweifelt nach einem Argument dagegen gesucht, habe aber dann die Waffen gestreckt, denn es ist ja so. Das wäre auch nicht so schlimm, wenn es nicht einen wesentlichen Unterschied gäbe: Die Publikationsform im gebundenen Buch mit Farbcover und ISBN postuliert einen gewissen Anspruch, ein Anspruch, den Fanzines – im Regelfalle – nicht für sich reklamiert haben. Und so werden Autoren als Autoren publiziert, für die diese Bezeichnung zumindest schmeichelhaft sein dürfte. Menschen, die oft über nicht genug Selbstachtung oder Einsicht verfügen, um auch solche Verlage zu vermeiden, die nur als windig bezeichnet werden können, da sie in der Illusion leben, eine Veröffentlichung um jeden Preis werde ihre „schriftstellerische Karriere“ befördern. Menschen, die sich wochenlang damit abquälen, Hunderte (!) von gefälschten Stimmabgaben in der Nominierungsrunde des „Deutschen Phantastik Preises“ abzugeben, um ja auf die Nominierungsliste zu kommen (und dann auch noch so naiv sind anzunehmen, das würde ein einigermaßen in diesen Dingen erfahrenes Organisationsteam nicht merken). Menschen, die von keinem Lektor und keinem Redakteur mehr gesagt bekommen, was für einen Mist sie schreiben, und vom Verleger schon gar nicht, sei es aus Unkenntnis, Ignoranz oder weil man sich damit einen Bewunderer vergraulen würde (welche Ausmaße solche Psychospielchen haben können, durfte ich im letzten Jahr in Bezug auf einen speziellen Genre-Kleinverlag aufzudecken helfen). Leute, die selbst dann, wenn ihnen wiederholt aus durchaus berufenem Munde mitgeteilt wird, dass sie Mist schreiben, dies als persönlichen Angriff werten oder schlicht dermaßen von sich überzeugt sind, dass sie nicht zu akzeptieren in der Lage sind, dass sie etwas an sich ändern müssen und sie möglicherweise kein verkanntes Genie sind.
Das müssen übrigens keine pickligen Twens in schäbigen Zimmern sein. Man wundert sich manchmal, wie viele Menschen kein Leben haben, obgleich sie diesem Klischee nicht entsprechen.
Von dieser Sorte Autoren gibt es leider viel zu viele. Früher, ich erwähnte es, landeten sie in Fanzines und das tat niemandem weh. Nur jene mit einem Funken Talent oder hart erarbeitetem guten Handwerk schafften es, „richtige“ Romane zu veröffentlichen. Die ganz Fanatischen rannten zu einem DKZ-Verlag und ließen sich ihre Selbstüberschätzung einiges kosten. Heute gibt es Verleger, die sie veröffentlichen und einen Dreck um Qualität scheren – und diese Autoren dabei in ihrem unrealistischen Selbstbild nur noch bestärken. Diese Art von Autoren tragen dazu bei, dass die Schmerzgrenze für ein „Daumen runter!“ noch weiter ins Bodenlose gesunken ist, als es für eine kompetitive Kleinverlagsszene gut sein kann.

Natürlich bleibt am Ende eine Frage: Wie hält es denn Dirk van den Boom? Ich bin von alledem nicht frei. Ich war sogar mal genau so, eine veritable Gefahr für meine literarisch interessierte Umwelt. Ich bekomme immer noch regelmäßig Schüsse vor den Bug, erst in diesem Jahr wieder, und da hat es mächtig gekracht. Glücklicherweise habe ich mittlerweile gemerkt, dass ich auch abgesehen davon noch ein Leben habe, glücklicherweise habe ich auch bemerkt, dass das Chancen zum Akzeptieren und Lernen sind, auch bezüglich der eigenen Grenzen. Ich bin lockerer mir gegenüber geworden, jedoch erkennbar ungeduldiger gegenüber jenen, die so waren wie ich, aber jetzt in einer Position sind, ihre Komplexe und Halluzinationen über das, was sie sind und wollen, in „richtigen Büchern“ verpackt auf die Welt loszulassen und damit all jene Kleinverlagsautoren, die hart an sich arbeiten, hart mit sich ins Gericht gehen und den Schüssen, die sie vor den Bug bekommen, nicht auszuweichen bereit sind, mit in die Lächerlichkeit ziehen.

Im dritten Teil geht es um Leser und Kritiker, deren absonderliches Verhalten bei mir mitunter ausgesprochen großes Erstaunen hervorruft.

12.8.05

Kleinverlage und ihre Nemesis (Teil 1)

Wie jeder weiß, der einen Blick auf meine Website geworfen hat, habe ich 99 % meiner Romane bei Genre-Kleinverlagen veröffentlicht. Damit sind Verlage gemeint, die, oftmals als 1-Mann-Betrieb, Romane in im Regelfalle überschaubaren Auflagen vertreiben und sich vor allem in ihrer mangelnden Präsenz in den Buchhandlungen von den Großen unterscheiden (mein erfolgreichster Kleinverlagsroman liegt bei 1200 verkauften Exemplaren, mein erfolglosester irgendwo bei 50). Es gibt da Ausnahmen (die Invasion der FanPro-Battletech-Romane in den Ständern der Bahnhofsbuchhandlungen mag als Beispiel gelten), aber wenn man vorwiegend für Kleinverlage schreibt, wird man mit den Möglichkeiten und Grenzen dieser schnell vertraut. Immerhin: Sie zahlen Honorare, verlangen keinen Druckkostenzuschuss und manche der Verleger sind ausgesprochen engagiert und am Erfolg ihrer Produkte interessiert (manche sind diesbezüglich schon wieder zu engagiert und meinen, durch Penetranz Erfolg erzwingen zu können. Die meine ich nicht). Die deutsche Kleinverlagsszene hat nach der großen Expansion der 90er Jahre seit geraumer Zeit Stabilität auf einem relativ hohen Niveau bewiesen. Meine eigene - sicher unvollständige - Genre-Verlagsliste auf meiner Website zählt seit ihrer Inauguration nie wesentlich mehr als 40 Verlage, aber auch nie wesentlich weniger. Innerhalb des letzten Jahres ist es jedoch zu einer Expansion anderer Art gekommen, die ich mit einem gewissen Stirnrunzeln betrachte. Es ist die Expansion der Programme, nicht zuletzt auf dem Seriensektor, die eine doch relativ begrenzte Käuferschicht mit zunehmend mehr und nicht notwendigerweise günstigen Angeboten bombardiert. Dabei kann ich mir aufgrund meiner Kenntnisse nicht vorstellen, dass hier von relevanten Auflagen die Rede sein kann. Viele der neuen Projekte dürften nicht mehr als 50-60 Exemplare regelmäßig absetzen. Erfolgreiche Kleinverlagsserien liegen sicher im niedrigen vierstelligen Bereich oder nähern sich diesem mit großen Schritten - ich weiß dies noch aus der Zeit der "Projekt 99"-Heftromanfortsetzung von "Ren Dhark" -, aber das dürfte nicht für die Mehrzahl gelten. Selbst einstmalige Flaggschiffe wie die neuen Abenteuer von "Raumschiff Promet" (heute "Titan") dürften durch die unregelmäßige Erscheinungsweise, Format- und Autorenwechsel Leser eingebüßt haben. Die Frage, wer das alles derzeit kaufen soll, stellt sich so natürlich nicht: Das digitale Druckverfahren, in dem die meisten dieser Serien hergestellt werden, erlaubt Kleinstauflagen. Das hat zur negativen Konsequenz, dass selbst Serien, die erkennbar schlecht sind und sich dauerhaft schlecht verkaufen, aus mir weitgehend unverständlichen Gründen künstlich am Leben erhalten werden. Die Segnungen der digitalen Drucktechnik sind unbestritten, gerade für den Kleinverlagsbereich. Gleichzeitig senken sie die Schmerzgrenze für Verleger auf Tiefen, die man sich zu den seligen Zeiten, als Offset das Maß der Dinge war und zu geringe Auflagen schlicht unrentabel waren, nicht hätte vorstellen können. Der Ausstoß sieht dann beachtlich aus, doch fragt man sich, wieviel davon Sein und wieviel davon Schein ist.
Natürlich kann man diese negativ erscheinende Analyse wieder positiv wenden. Die ansteigende Vielfalt bietet vielen Neulingen eine Chance, sich schriftstellerisch auszuprobieren, die es sonst vielleicht schwerer gehabt hätten. Ideenvielfalt ist ebenfalls leichter realisierbar, da die Grenze des Scheiterns so niedrig ist, dass Verleger vermehrt und eher zu Risiken bereit sind, da diese nun kalkulierbar erscheinen. Das Problem liegt darin, dass der Mechanismus abhanden gekommen ist, der die Spreu vom Weizen trennt - und das wiederum führt dazu, dass für den unbedarften Konsumenten die Tatsache allein, dass eine Serie über die ersten Ausgaben hinaus gekommen ist, kein Hinweis mehr auf einen gewissen Qualitätsstandard mehr bietet, da selbst Serien (oder Zyklen oder Einzelromane) mit Zwergauflagen weiter erscheinen. Das heißt auch, dass viele Autoren nicht mehr die Sorgfalt an den Tag legen müssen wie vorher, um veröffentlicht zu werden. Der Markt bestraft sie für Schlamperei nicht mehr, da die Verleger den Marktdruck nicht mehr spüren, zumindest so lange, wie sie von ihrem Gewerbe nicht vollberuflich leben wollen (was nur die Creme de la creme wirklich schafft). Die Hoffnung darauf - eine perverse Hoffnung, die aber, wie ich weiß, von so manchem im Stillen genährt wird -, dass der Markt sich eines Tages "gesundimplodieren" werde, und dann nur die übrig bleiben, die einigermaßen gescheite Produkte abliefern, ist meiner Ansicht nach müßig und unrealistisch. Wenn ein Produkt für den Produzenten zu einem relativen Spottpreis angeboten werden kann und selbst Kleinstauflagen keine oder nur geringe Verluste einfahren, beginnen Marktmechanismen immer weniger zu greifen. Das muss die "erfolgreichen" Kleinverlage - also diejenigen, die Bücher mit signifikant höheren Auflagen produzieren - nicht vom Erfolg abhalten, der Weg nach oben wird dadurch aber möglicherweise steiniger.

Im zweiten Teil: Wie die Autoren und vor allem jene, die sich dafür halten, zu diesem und anderen Problemen einen nicht geringen Beitrag leisten.

4.8.05

Oliver Naujoks, Schriftsteller

"Ich bin ja kein Leser, sondern Autor."

Oliver Naujoks, heute, in einer mail. Die Wahrheit ist raus.

Traurig

Ich bin jetzt traurig.
Warum?
Gerade brachte mir Amazon zwei Bücher. Das ist gut.
Andererseits ist es schlecht.
Das eine der beiden Bücher ist "The Dog from Hell" von Chris Bunch, der vierte "Star Risk"-Roman. Die lese ich gerne. Chris Bunch ist aber vor kurzem verstorben, dies ist das letzte Buch aus seiner Feder.
Das ist traurig.
Das zweite Buch ist "Backshot" von David Sherman und Dan Cragg, der erste Roman einer Spin-Off-Serie aus ihrem "Starfist"-Universum. Die lese ich gerne. Es erinnert mich aber daran, dass der Verlag David Shermans "Demontech"-Reihe nach Band 3 gecancelt hat.
Das ist traurig, denn die habe ich auch sehr gerne gelesen.
Also bin ich jetzt traurig.
Zur Aufmunterung höre ich jetzt Pizzicato Five.

Eine Frage der Selbstdisziplin

In der englischsprachigen Newsgroup r.a.s.composition treffen sich sowohl angehende wie auch bereits professionell veröffentlichende Autorinnen und Autoren aus der anglo-amerikanischen Szene, um sich gegenseitig über ihre Fortschritte zu berichten und Tipps auszutauschen. Vor kurzem gab es da einen nicht uninteressanten Thread: Es ging dabei um Arbeitsweisen und vor allem um die Frage, wie andere es schaffen würden, trotz mangelnder "Lust" weiterzuschreiben, auch, wenn man halt nicht in der Stimmung sei. Dies ist besonders wichtig, wenn man ein bestimmtes Pensum schaffen möchte oder muss, aus welchen Gründen auch immer. Die einhellige Antwort war, dass dies am ehesten dann möglich ist, wenn man sich selbst eine feste Anzahl an Worten oder Anschlägen vorgibt, die jeden Tag zu erreichen sei. Brenda Clough zitierte einige bekannte Beispiele:

Many writers have a minimum -- either a minimum amount of time, or a minimum number of pages/words. Anthony Trollope (who held a day job of some importance in the British Postal Service) would get up early every morning and write five pages, without fail. In this way over the length of his career he was able to write dozens of volumes of tree-killer proportions. Damon Knight was another page-minimum writer -- I think his quota was three pages.

Patricia Wrede hat die ganze Spannbreite an möglichen Vorgehensweise zusammengefasst, kam dann aber zum Schluss zur einzig möglichen Erklärung:

Some writers use tricks -- a bag of treats by the computer, to reward the completion of a chapter or scene (or, in extreme cases, a page or a paragraph). Revising/retyping/rewriting yesterday's page/scene/chapter to get into the groove for today's production. Various reminders that how you *feel* about your writing has little or no bearing on its actual quality. Inspirational quotations/music. Getting out the Special Pen. Taking the laptop to the library/park/cafe to work in a different venue. Switching from composing on the computer to using pen and notebook (or vice versa, or using voice-recognition software for a while). Taking your friends/colleagues/first-readers to lunch or dinner and whining at them. Making a list of incredibly unpalatable chores (clean the attic, organize the garage, do the taxes, ream out the sewer line...) that one then sets as one's only legitimate alternative use of writing time. Making a list of
incredibly appealing things that one will only allow oneself to do once the writing time is over.

But it still boils down to: Butt in chair, fingers on keyboard/pen and moving. Same as with any day job.


Tatsächlich ist das wohl so. Ich hatte mir vor langer Zeit einmal ein Minimum von 5000 Zeichen/Tag gesetzt, eine Routine, die ich durchaus über einen längeren Zeitraum durchgehalten habe. Dabei musste ich aber feststellen, dass dies nur einer einen gewissen Zeitraum funktioniert hat. Aufgrund zahlreicher anderer Beanspruchungen - und weil ich in der Tat ein Problem damit habe, mich massiv unter Druck zu setzen -, habe ich diese Taktik dann wieder aufgegeben. Ich kann mich durchaus selbst motivieren, der beste Motivator ist aber immer noch der externe Abgabetermin. Den habe ich aber nicht immer (und tatsächlich habe ich ihn immer weniger). Es ist aber schön zu sehen, dass diese Probleme international sind.

1.8.05

Fertig!

Die Übersetzung von "A Greater Infinity" ist abgeschlossen. Jetzt geht das Lektorat los. Aber es heißt auch, ich habe endlich wieder mehr Zeit, mich auf Ikarus # 26 zu konzentrieren, denn der Roman muss auch fix fertig.